Krankenkasse erstattet Kosten für Geräte zur Vorhaut-"Wiederherstellung"

Einem von einer Vorhautamputation im Neugeborenenalter betroffenen in Deutschland lebenden Mann wurden von seiner Krankenkasse die Kosten für den Kauf sogenannter "Restoring"-Geräte erstattet. Diese sind in verschiedener Ausführung in den USA erhältlich und werden in den letzten Jahren laut Informationen der Hersteller auch aus Deutschland verstärkt nachgefragt. Der Erstattung vorausgegangen war das fachärztliche Gutachten eines Urologen, das den durch die Vorhautamputation verursachten Schaden für den Betroffenen bestätigte.

 

Das "Restoring" funktioniert nach einem einfachen Prinzip: durch Fixierung und Zug auf die am Penis verbliebene Haut erfolgt ein Dehnprozess, der zu einer spürbaren Resensibilisierung der ggfls. Restvorhaut inkl. eventuell noch vorhandendem Frenulum ("Vorhautbändchen"), der Eichel und zu einer Wiederherstellung des natürlichen Stimulationsmechanismus des Penis führen kann. Obgleich der mit einer Vorhautamputation zwingend verbundene Verlust von hocherogenem Gewebe irreversibel ist, berichten viele Betroffene, auch aus unserem Facharbeitskreis, von einer spürbaren positiven Wirkung auf ihr sexuelles Erleben. Allerdings ist dafür einiges an Geduld und Mühe erforderlich: dieser Prozess nimmt ca. zwei bis sechs, nach manchen Schilderungen gar acht Jahre und mehr in Anspruch: je nach Menge der verbliebenen Haut, gewünschtem Ergebnis, Häufigkeit des Tragens und individueller Hautbeschaffenheit. Ein deutliches Zeichen dafür, was Männer auf sich zu nehmen bereit sind, um negative Folgen einer Vorhautamputation wenigstens zu mindern.
Wir als Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V. werten die nach unserem Wissen erstmals erfolgte Erstattung der Kosten für "Wiederherstellungs"-Geräte als Signal. Negativ von ihrer Vorhautamputation betroffene Männer erhalten hoffentlich endlich die ihnen zustehende fachliche Beratung und finanzielle Hilfen bei der mühevollen Therapie.

 

Hier nun die Details zum Vorgang der Erstattung:

 
Oktober 2015

 

Mein Name ist Steffen und ich lebe in Deutschland. Kurz nach meiner Geburt in einem deutschen Krankenhaus musste ich eine sogenannte Beschneidung über mich ergehen lassen, worüber ich mehr als wütend bin. Mein Körper, mein Penis wurde ohne meine Zustimmung verändert und beschädigt, was für sich genommen meine Wut und meinen Hass mehr als rechtfertigt. Was jedoch für mich persönlich noch viel schlimmer ist, sind die sexuellen Auswirkungen wie eine relativ unempfindliche Eichel und die kaum vorhandene Hautbeweglichkeit während einer Erektion.

 

Also habe ich mir gesagt: “Ich wurde beschädigt und habe deswegen sexuelle Probleme. Demnach bin ich krank. Und da ich krank bin, trete ich an meine Krankenkasse heran mit der Bitte, die Kosten für Geräte und Hilfsmittel zur sog. Vorhautwiederherstellung zu bezahlen“. Und genau das tat ich in 2014. Und am Ende hat sie wirklich bezahlt!

 

Auch wenn es nicht einfach war, möchte ich an dieser Stelle jeden Mann, der ebenso wie ich durch eine Beschneidung beschädigt wurde, dazu ermutigen, meinem Beispiel zu folgen. Die Krankenkassen müssen sich mit uns und unseren Problemen auseinandersetzen. Egal ob man einen Autounfall hatte, von einer anderen Person zusammengeschlagen wurde oder ein Teil der Genitalien abgeschnitten wurde, es ist deren Aufgabe und Verantwortung, uns bei unseren Krankheiten und Einschränkungen zu helfen. Und jetzt kann sich jeder auf einen Mann beziehen, dessen Krankenkasse sich an den Kosten für diese Geräte und Hilfsmittel beteiligt hat.

 

Und so hat es bei mir funktioniert:

 

1. Im März 2014 hatte ich einen Termin bei meinem Sachbearbeiter vereinbart, um ihm persönlich von meinen sexuellen Problemen zu berichten, die aufgrund der an mir als Neugeborenen durchgeführten Beschneidung bei mir bestehen (der sog. "Dreifache Fluch", siehe http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/beschneidung-und-sexualitaet/der-dreifache-fluch.html). Während des Gesprächs habe ich klargestellt, dass es sich definitiv nicht um ein psychisches, sondern um ein körperliches Problem handelt und dass es Geräte gibt, die den Schaden lindern und das sexuelle Empfindungsvermögen verbessen können. Und da ich offensichtlich beschädigt wurde und es sich um meine Gesundheit handelt, bat ich um Übernahme der dadurch entstehenden Kosten. Davor hatte er noch nie etwas davon gehört, also überreichte ich ihm Informationen über die männliche Beschneidung, die Vorhaut und die Vorhautwiederherstellung. Er versprach mir, mit seinem Vorgesetzten über meinen Antrag zu sprechen.

 

2. Einen Monat später rief mich der Vorstand an und sagte mir zu, den Antrag genauer zu prüfen, sofern ich Rezepte eines Urologen und Angebote/Kostenvoranschläge der Produkte vorlegen könne. Er bestätigte mir dies zuerst telefonisch, einige Monate später erhielt ich noch eine schriftliche Bestätigung.

 

3. In den darauffolgenden Monaten begab ich mich auf die Suche nach einem Urologen, was nicht einfach war. Nach insgesamt 6 Anläufen fand ich schlussendlich einen Arzt, der mir seine Hilfe anbot.

 

4. Im September 2014 erhielt ich das offizielle Schreiben der Krankenkasse und fragte offiziell bei diversen Herstellen von Restoring Geräten an. Ich erhielt ein Angebot (incl. einer CD-ROM) von TLC Tugger (www.tlctugger.com) und darüber hinaus druckte ich Informationen und Preise für ManHood Restorer von deren Website (http://manhood.mb.ca/) aus. Von der CICAPLAST Wundpflegecreme und der EUBOS 5% Urea Hydro Lotion hatte ich ebenfalls die Produktinformationen von den Herstellerseiten ausgedruckt und einer Apotheke vorgelegt, die darauf die jeweiligen Preise vermerkte und sie unterzeichnete.

 

5. Mit diesen Unterlagen wurde ich bei meinem Urologen vorstellig, der mir 3 Rezepte ausstellte: Eins für das TLC-X Kit, eins für 2 Stück ManHood Restorer und eins für je 1x CICAPLAST und 1x EUBOS. Leider hatte ich es versäumt darauf hinzuweisen, dass auf den Rezepten vermerkt werden sollte, dass ich beschnitten bin. Daraufhin rief ich den Sachbearbeiter an und bot ihm an, ein urologisches Gutachten beizulegen, was für ihn in Ordnung ging.

 

6. Ich bat den Urologen, mir ein Gutachten auszustellen, was er im Januar 2015 gegen eine angemessene Gebühr auch tat. In dem Gutachten werden mein Zustand und meine Probleme geschildert und sogar ausdrücklich die Verwendung des TLC-X und von ManHood empfohlen, um den Schaden zu mindern.

 

7. Im April 2015 stellte ich die Unterlagen für die Krankenkasse zusammen und schickte sie an den Sachbearbeiter:

- Rezept für 1x TLC-X Kit
- Rezept für 2x ManHood Restorer
- Rezept für je 1x „Cicaplast Wundpflegecreme 40 ml“ und „EUBOS trockene Haut 5% Urea Lotion 200 ml“
- Ärztliches Gutachten des Urologen
- Angebotspaket von TLC Tugger
- Kopie des Beitrags “Men Do Indeed Complain” aus dem Buch „Unspeakable Mutilations: Circumcised Men Speak Out“
- Produktinformation zu ManHood Restorer inkl. Preis.
- Produktinformation zu CICAPLAST Wundpflegecreme inkl. Preisangabe einer Apotheke
- Produktinformation zu EUBOS 5% Urea Hydro Lotion inkl. Preisangabe einer Apotheke
- Broschüre „Mann, oh Mann“ des BVKJ (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.)

 

8. Nach zwei Wochen erhielt ich die offizielle Bestätigung, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt, jedoch nur für das TLC-X Kit und die beiden ManHood Restorer, abzüglich eines Eigenanteils. Leider wurden die Kosten für die Creme und die Lotion nicht übernommen.

 

9. Bei den jeweiligen Anbietern bestellte ich die Produkte über deren Webseiten, bezahlte via Paypal und bat um Ausstellung von Rechnungen. Von TLC Tugger erhielt ich eine Rechnung per e-Mail, von ManHood eine Rechnung via Paypal. Die Rechnungen und Kopien der Zahlungsbelege leitete ich per E-Mail an meinen Sachbearbeiter weiter, der die Dokumente akzeptierte und den Betrag zur Zahlung im Juni 2015 anwies.

 

10. Seit September 2015 restore ich und werde bei Bedarf wieder an die Krankenkasse herantreten, falls ich Ersatzteile oder zusätzliche Produkte benötige.

 

An dieser Stelle bedanke mich ausdrücklich bei der Krankenkasse, meinem Urologen, TLC Tugger, ManHood und allen anderen, die mich die ganze Zeit unterstützt haben. Auch wenn Ihr nicht namentlich genannt werdet, Ihr wisst, wer gemeint ist.

 

Soweit also meine Geschichte, jetzt seid Ihr dran. :-)

 

Viel Erfolg!

 

Gruß
Steffen